June 10, 2022

954 Wörter 5 Minuten

Zwergenmanagement

Zwergenmanagement

Zwergenmanagement

Es waren einmal sieben Zwerge, die lebten hinter den sieben Bergen. Tag für Tag suchten sie im Bergwerk nach Gold. Jeder der Zwerge war rechtschaffen, fleissig und achtete den Anderen. War einer von ihnen müde, so ruhte er sich aus, ohne dass die Anderen zürnten. Wenn es einem von ihnen an etwas mangelte, so gaben die Anderen bereitwillig und gerne. Abends, wenn das Tagewerk geschafft war, assen sie einträchtig ihr Brot und gingen zu Bett. Am siebten Tage jedoch ruhten sie.

Doch eines Tages meinte einer von ihnen, dass sie so recht nicht wüssten, wieviel denn geschafft sei und begann, die Goldklumpen zu zählen, die sie Tag für Tag aus dem Bergwerk schleppten. Und weil er so mit zählen beschäftigt war, schufteten die Anderen für ihn mit. Bald nahm ihn seine neue Arbeit derart in Anspruch, dass er nur noch zählen konnte und die Hacke für immer beiseite legte.

Nach einer Zeit hob ein Murren an unter den Freunden, die mit Argwohn auf das Treiben des Siebten schauten. Dieser erschrak und verteidigte sich, das Zählen sei unerlässlich, denn nur so wüssten sie, welche Leistung sie vollbracht hatten und er begann, den Anderen in allen Einzelheiten davon zu berichten.

Und weil er nicht berichten konnte, während die Anderen hackten und hämmerten, legten alle ihre Schaufeln beiseite und sassen am Tisch zusammen. So entstand das erste “Meeting”. Die Zwerge sahen das feine Papier und die Symbole, aber sie schüttelten die Köpfe, denn sie konnten die Symbole nicht verstehen.

Es dauerte nicht lange und der Controller-Zwerg (denn so nannte er sich nun) forderte die Zwerge, die da Tagein, Tagaus schufteten, müssten ihm beweisen über die Menge Goldes, die sie mit den Loren aus dem Berg holten. Und weil er nicht verstehen konnte, warum die Menge schwankte, berief er einen unter ihnen, die Anderen zu führen, damit der Ertrag gleichmässig ausfiele. Der Berufene wurde “Manager” genannt und legte seine Schaufel nieder.

So arbeiteten also noch fünf von ihnen, allerdings mit der Auflage, die Arbeit aller Sieben zu erbringen. Die Stimmung unter den Zwergen sank, was sollten sie tun? Einer von ihnen wurde das Sprachrohr der restlichen Zwerge und er vertrat ihre Ansinnen tagtäglich vor dem Manager und dem Controller. So gab es dann eine Vielzahl von Erleichterungen für Zwerge, die Schaufeln und Hacken wurden ergonomischer (damit konnte man länger, aber nicht besser arbeiten) und überall wurden Verbandskästen für die Sicherheit installiert. Auch sollte die Arbeitszeit kürzer werden, doch eigentlich arbeiteten alle mehr als zuvor, denn jetzt waren sie ja nur noch zu viert. So entstand die “Gewerkschaft”.

Die Stimmung sank und damit als bald die Fördermenge des Goldes. Als die Zwerge wütend an seine Bürotür traten, versprach der Manager Abhilfe und organisierte eine kleine Fahrt mit dem Karren, damit sich die Zwerge zerstreuten. Damit aber die Menge Goldes nicht nachliess fand die Fahrt am Wochenende statt. Und damit die Fahrt als Geschäftsreise abgesetzt werden konnte, hielt der Manager einen langen Vortrag, den er in fremdartige Worte kleidete, die er von einem anderen Manager gehört hatte, der andere Zwerge in einer anderen Mine befehligte. So wurden die ersten “Anglizismen” verwendet.

Eines Tages kam es zum offenen Streit. Die Zwerge warfen ihre kleinen Schaufeln hin, stampften mit ihren kleinen Füssen und ballten ihre kleinen Fäuste. Der Manager erschrak und versprach den Zwergen, neue Kollegen anzuwerben, die ihnen helfen sollten. Der Manager nannte das “Arbeitnehmerberlassung”. Also kamen neue Zwerge, die fremd waren und nicht recht in die kleine Gemeinde passten. Und weil sie anders waren, musste auch für diese ein neuer Sprecher her, der an den Manager berichtete. So arbeiteten nur noch drei von ihnen.

Weil jeder von ihnen auf eine andere Art andere Arbeit erledigte, und weil für zwei verschiedene Gruppen zwei verschiedene Abteilungen nötig waren, wurden die Kostenstellen geboren. Aber auch diese mussten verwaltet werden und so arbeiteten nur noch zwei von Ihnen. So bekam jede Gruppe zum Anfang des Jahres ein bisschen Geld für neue Schaufeln und Hacken. Doch dieses Geld musste oft gespart werden und verschwand wieder ohne das die Zwerge einen Vorteil davon hatten. Jeder sah nun voller Misstrauen auf die Leistungen des Anderen und hielt krampfhaft fest, was er besass. So gab es ein Knurren unter ihnen, das stärker und stärker wurde.

Die zwei Zwerge, die noch arbeiteten, erbrachten ihr Tagewerk mehr schlecht als recht. Als sich die Manager und der Controller ratlos zeigten, beauftragten sie letztendlich einen externen Berater. Der strich lange und hochnäsig durch das Bergwerk und erklärte den verdutzten Managern, die Gründe für die schlechte Leistung sei darin zu suchen, dass die letzten beiden Zwerge im Bergwerk ihre Schaufeln falsch hielten. Er kassierte eine ganze Lore Gold und verschwand so schnell, wie er erschienen war.

Während dessen stellte der Controller fest, dass die externen Mitarbeiter mehr Kosten verursachten als Gewinn erbrachten und überdies die Auslastung der internen Zwerge senkte. Schliesslich entliess er sie. Der Führer, der die externen Mitarbeiter geführt hatte, wurde zweiter Controller.

So arbeitete nur noch ein letzter Zwerg in den Minen. Tja, und so kam es wie es kommen musste. Dieser lernte in seiner kargen Freizeit (die nur noch aus mühsam errungenen abgebummelten Überstunden bestand), Schneewittchen kennen, die ganz in der Nähe der Mine wohnte. Diese verwirrte ihm die Sinne, seine Arbeitsleistung sank, da er Tag und Nacht an das hübsche Kind denken musste. Er machte viele Fehler, denn er war in Gedanken immer bei ihr.

Die Firma ging pleite, alle wurden entlassen und die Mine für erschöpft erklärt. Die Manager, Gruppenführer und Controller aber fanden sich mit grosszügigen Summen ab und flüchteten, um der Anklage wegen Untreue zu entgehen, ins Ausland.

Damit ist dieses deprimierende, aber wahrheitsgetreue Märchen aus.

[Original-Autor leider unbekannt. Dies ist ein Nachdruck der besten Version unter vielen verschiedenen im Internet, gefunden bei ricks.de.